„Was braucht eine zukunftsfähige Integrationspolitik“

Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas zum Thema „Wie gelingt Integration?“ beim Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung „Was braucht eine zukunftsfähige Integrationspolitik“ am 10. Juni 2016 in Berlin

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!

Lieber Dietmar Molthagen,

lieber Farhad Dilmaghani,

sehr geehrte Frau Professorin Foroutan, 

sehr geehrte Frau Professorin Langenfeld, 

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde!

Das ist ein guter Zeitpunkt, um über Integration zu reden. Denn wenn heute die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich beginnt, dann wird die deutsche Mannschaft wieder vorführen, wie Integration gelingen kann: nämlich mit Respekt - unabhängig von Hautfarbe oder Religion, und mit dem Wissen, dass jeder einzelne seinen Wert und seine Stärken hat.

Unsere Mannschaft ist auch deswegen ein gutes Beispiel, weil sie wirklich ein buntes Team ist. Wie bunt, das hat uns gerade eine Schokoladenwerbung vor Augen geführt: etwa ein Drittel der Jungs hat einen Migrationshintergrund. Die Nationalmannschaft ist ein Spiegel der Gesellschaft und zeigt, dass Zuwanderung ein Gewinn für unser Land ist: Wenn die Eltern von Podolski, Özil und Boateng, Khedira und Mustafi nicht nach Deutschland gekommen wären – wer weiß, ob wir dann heute Weltmeister wären?

Ob Integration anders oder noch besser funktionieren würde, wenn es im Grundgesetz das Staatsziel Integration gäbe, von dem Farhad Dilmaghani gerade gesprochen hat – das ist eine Diskussion, die wir zurzeit brauchen.

Ich sage aber auch gleich, dass es da Rechtspolitiker gibt, die durchaus auch Zweifel haben, ob das etwas bringt, und dieser Zweifel hat etwas mit einem Gesetz zu tun, das wir letztes Jahr verabschiedet haben. Es geht um die Frauenquote. Was hat das miteinander zu tun - Gleichberechtigung und Integration?

Zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen gibt es ja seit 1994 ein Staatsziel, einen Staatsauftrag im Grundgesetz. Seither steht in Artikel 3: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Dass Frauen Nachteile hatten an vielen Stellen in unserer Gesellschaft, aber gerade auch damit, in Führungspositionen der Wirtschaft aufzuzrücken. konnte und kann niemand bezweifeln. In den Vorständen der Dax-Unternehmen dümpelte der Frauenanteil bei 6 bis 8 % und war zuletzt sogar rückläufig – und das trotz Staatsziel.

Trotz Staatsziel hat es über 20 Jahre gedauert, bis die Politik die große Ungleichheit in den Führungspositionen endlich angegangen ist. Selbst um das Quotengesetz, das es jetzt gibt, haben wir bis zuletzt hart kämpfen müssen und das nicht nur in den parlamentarischen Beratungen, sondern auch in den Diskussionen mit den Wirtschaftsverbänden. Man hatte in den Verhandlungen manchmal das Gefühl ein paar mehr Frauen als Chef bedeuten für manche gleich den Untergang des Abendlandes. Wenn man noch nicht Anhänger der Frauenquote gewesen wäre – in diesen Beratungen wäre man es ganz sicher geworden.

Der Verweis aufs Grundgesetz und das Staatsziel Gleichberechtigung, hat da auch nicht geholfen.

Es gibt daher viele, die deswegen skeptisch sind, dass ein neues Staatsziel zum Thema Integration viel verändern würde. Aber unabhängig davon: Entscheidend sind die einfachen Gesetze, die Konzepte und vielen kleinen Maßnahmen. Wenn der politische Wille dafür vorhanden ist, dann wären wir auch ohne Staatsziel sehr viel weiter als wir es heute sind. Und ein Staatsziel allein nützt noch nichts, wenn es nicht den politischen Willen gibt, es auch tatsächlich umzusetzen.

Wir können da vom Fußball etwas lernen, aus der Erfolgsgeschichte unserer Nationalmannschaft. Wie ist es denn zu diesem Weltmeistertitel vor zwei Jahren gekommen? Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass es überall im Land Vereine gibt, die das Talent dieser Jungen erkannt haben, unabhängig von ihrer Herkunft, die ihnen Mut gemacht und sie auf Sportschulen oder in Leistungszentren geschickt haben. Ihre Trainer haben ihnen gleichzeitig viel abverlangt: Dass sie hart trainieren und an ihrem Stil feilen, dass sie zu Teamplayern werden müssen und sich auf ihre Mitspieler einstellen können.

Das ist das Konzept „Fördern und fordern“. Es verlangt den Spielern etwas ab, aber jeder, der sich reinhängt, bekommt eine faire Chance und viel Unterstützung.

Meine Damen und Herren, 

dieses Konzept des „Förderns und Forderns“ ist auch richtig, wenn es um die Integration geht.

Klar ist: Wir wollen diese Menschen unterstützen. Viele haben ja alles hinter sich gelassen, um bei uns Schutz vor Verfolgung und vor Terror zu suchen.

Aber klar ist auch: Diese Menschen müssen selbst mitmachen, ein Teil der Anstrengung muss von ihnen selbst kommen muss.

Wenn sie bei uns richtig ankommen sollen, dann müssen sie unsere Sprache lernen, unsere Werte verstehen oder – ganz banal – eine Wohnung und einen Job finden.

In all diesen Punkten nimmt die Bundesregierung den Teil „Fördern“ sehr Ernst, es geht eben nicht nur um Fordern. Ich will dazu nur ein paar Punkte nennen:

Erstens zum Thema Sprache: Wir haben die Mittel für die Integrationskurse mehr als verdoppelt – auf rund 560 Millionen Euro. 

Wir haben mit dem Integrationsgesetz auch die Stundenzahl dieser Kurse erhöht und wir peilen auch eine bessere Bezahlung der Kursleiter an.

In diesem Jahr werden nach aktuellen Schätzungen über eine halbe Million Geflohene an den Integrationskursen teilnehmen. In den Integrationskursen sollen sie ja nicht nur unsere Sprache lernen, sondern es geht darin auch um unsere Werte: dass Frauen hier gleichberechtigt sind, dass Homosexuelle den gleichen Respekt verdienen, dass man die Polizei bei uns nicht fürchten muss. Wir wollen, dass die Menschen gut auf das Leben hier vorbereitet werden, und dafür brauchen wir genug Plätze in den Kursen, ausreichend Zeit und qualifizierte, motivierte Menschen, die für die Arbeit in diesen Kursen auch angemessen bezahlt werden.

Aber wir verlangen von den Menschen auch, dass sie das Angebot auch nutzen. Als Erwachsener noch Deutsch zu lernen, das ist sicherlich nicht leicht – keine Frage. Aber um hier Fuß zu fassen, sind Sprachkenntnisse das A und O, und dann müssen die Menschen eben auch für einige Monate hart daran arbeiten.

Diese Arbeit zahlt sich ja auch aus: Sprachkenntnisse sind eine Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis. Da gibt es also einen klaren Anreiz fürs Lernen. Das ist ein Anreizsystem, wie es jeder aus Schule, Uni oder kennt; das funktioniert sehr gut und deswegen halte ich das auch für vernünftig. Warum sollte da hier nicht funktionieren?

Der zweite Punkt, das sind Wohnungen, und auch da bewegt sich viel. Wir tun eine Menge für bezahlbaren Wohnraum, in dem wir:

4 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau bis 2019 zur Verfügung stellen,

mit den 800 Millionen, die im Haushalt 2017 noch dazukommen werden und

weil wir auch die Bauvorschriften vereinfachen, damit schneller gebaut werden kann,

und mit der Erhöhung des Wohngeldes.

Beim Neubau von Wohnungen kommt es auch darauf an, das Geld intelligent ausgeben. Da dürfen wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir wollen gemischte, lebendige Quartiere. Es wäre Gift für die Integration, wenn neue Trabantenstädte entstehen, in denen die Flüchtlinge unter sich bleiben. Wir dürfen deswegen nicht am Stadtrand neue Viertel hochziehen, sondern müssen auch auf intelligenten Umbau setzen, auf Baulücken, auf gewachsene Strukturen.

Aber das allein wird immer noch nicht reichen, und deswegen haben wir uns mit dem neuen Integrationsgesetz auch für eine Wohnsitzauflage entschieden. Das wird ja zurzeit auch heftig diskutiert. Wenn die Flüchtlinge die Erstaufnahme-Einrichtungen irgendwann hinter sich gelassen haben, dann müssen wir sie auch dahin schicken können, wo Platz ist und sie Perspektiven haben. Und das bedeutet, dass nicht jeder in einer der Großstädte leben kann, in denen wir heute ohnehin schon mit Wohnungsnot zu kämpfen haben.

Wir wollen niemanden in eine Gegend schicken, in der es keine Jobs und keine Perspektive für ihn gibt. Aber es gibt auch kleine Gemeinden, in denen Arbeitskräfte gesucht werden und Wohnungen leerstehen.

Meine Damen und Herren, 

diese Einschränkungen der Freizügigkeit sind übrigens keine neue Erfindung. Als das Grundgesetz 1949 geschaffen wurde, hat man ähnliche Schranken auch mit Blick auf die Aufnahme der Heimatvertriebenen und die Spätaussiedler erlassen. Hier geht es einfach darum, die Hilfe für die Zuwanderer praktisch zu bewältigen. 

Meine Damen und Herren, 

wir haben – drittens – auch nsere Arbeitsmarktpolitik auf die neue Situation eingestellt. Ein junger Mann aus Syrien hat das neulich sehr treffend auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Flüchtling ist kein Beruf“.

Zumindest die, die auf Dauer bei uns bleiben werden, sollen schnell auf eigenen Beinen stehen, sie sollen Geld verdienen und Steuern zahlen können.

Flüchtlinge mit Bleibeperspektive dürfen daher nach drei Monaten arbeiten. Das gilt seit vorletztem Jahr.

Anfang des Jahres haben wir den so genannten Flüchtlingsausweis eingeführt. Darauf werden Informationen zu Sprachkenntnissen, Schul- und Berufsausbildung erfasst, und das macht es den Behörden vor Ort leichter, Flüchtlingen einen Job zu vermitteln

Mit dem Integrationsgesetz geben wir den Ländern jetzt auch die Möglichkeit, die Vorrangprüfung auszusetzen. Arbeitgeber sind dann nicht mehr verpflichtet, monatelang nach gleich geeigneten deutschen Bewerbern Ausschau zu halten. In manchen Gegenden und manchen Branchen war das völlig weltfremd, schließlich hat Deutschland heute so wenig Arbeitslose wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Wirtschaft klagt über einen Fachrkäftemangel und hat das deswegen ohnehin aus der blanken Not schon lang gefordert.

Wir wollen die Arbeitgeber aber auch direkt ansprechen. Dafür fördern wir so genannte "Willkommenslotsen", die für Wirtschaftsverbände und Kammern in Deutschland unterwegs sind und Unternehmen beraten, wenn sie Flüchtlinge ausbilden wollen.

Schließlich müssen wir unser Ausbildungssystem anpassen. Wer hier eine Ausbildung macht, soll in dieser Zeit nicht abgeschoben werden – auch das haben wir gerade beschlossen. Und für alle, die Schwierigkeiten haben mit dem Lernen, wollen wir, dass sie mehr Zeit bekommen, um sich auf die Ausbildung gründlich vorzubereiten. Wenn wir hier neue Konzepte schaffen, dann kommt das allen zugute – auch deutschen Azubis.

Ich finde wir tun auch da eine ganze Menge und wir zeigen mit all diesen Maßnahmen auch, dass wir den Menschen nicht misstrauen, sondern im Gegenteil davon ausgehen, dass sie hier sind und hier auch bleiben und arbeiten sollen. Aber wir müssen umgekehrt auch im Blick behalten: Deutsche Bezieher von Sozialleistungen müssen mit Konsequenzen rechnen, wenn er sich Jobangeboten verweigert. Soll dann für die Geflohenen, die jetzt zu uns gekommen sind, etwa etwas anderes gelten? Zumindest wäre das schwer zu vermitteln.

Ich meine, wie müssen darauf achten, dass sich die Risse in unserer Gesellschaft nicht vertiefen. Wie tief sie schon sind, das habe ich erst letzte Woche in Dallgow-Döberitz erfahren, einer kleinen Gemeinde im Havelland.

Ich war eingeladen zu einer Diskussionsveranstaltung und es ging um dasselbe Thema wie heute auch, um Flüchtlinge und ihre Integration. Geplant war ein Austausch mit den vielen kleinen Willkommensinitiativen in der Gegend, gekommen waren aber auch Leute, die offenbar Anhänger von AfD, Pegida und Co sind.

Die einen sahen hinter jeder Maßnahme im Integrationsgesetz eine menschenfeindliche Schikane gegen Flüchtlinge. Die anderen unterstellten pauschal, dass Integration schon wegen irgendwelcher kultureller Unterschiede zum Scheitern verurteilt ist und riefen lautstark den Staatsnotstand aus.

Ich finde: Beides ist falsch. Richtig ist, den Menschen, die zu uns kommen, einen Vertrauensvorschuss zu geben. Aber richtig ist auch, dass wir klare Erwartungen formulieren, was wir von ihnen wollen. Genau das machen wir mit dem neuen Integrationsgesetz. Wir gehen damit einen großen Schritt voran, denn dieses Gesetz ist der Einstieg in ein modernes Einwanderungsrecht, für das die SPD schon lange kämpft – und deshalb ist dieses Integrationsgesetz noch lange nicht das Ende der Entwicklung, liebe Freunde.

In den letzten Monaten haben wir schon eine ganze Menge Erfahrung in Sachen Integration gesammelt.

Niemand sollte die Probleme kleinreden, die damit verbunden sind, auch nicht die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht. Aber die Horrorvisionen, die vor allem im Internet verbreitet werden, haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun:

Durch die Flüchtlinge bricht das Handynetz nicht zusammen; es gab nirgendwo Supermärkte, die wegen Diebstahlswellen schließen mussten; es gibt auch keine Massenvergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen; und Flüchtlinge wildern in den Stadtparks auch nicht unsere Schwäne (ja, auch das Gerücht zog im Internet seine Kreise).

Viele Einheimische haben stattdessen festgestellt, dass aus Flüchtlingen gute Nachbarn werden können – und zwar ganz unabhängig davon, ob aus ihren Kindern irgendwann auch mal Nationalspieler werden.

Wenn wir vorankommen wollen, dann lohnt es sich auch mal dorthin zu schauen, wo das Miteinander schon heute gut funktioniert, und das ist nicht nur in der Fußballnationalmannschaft. Da gibt es viele großartige Beispiele.

In Golzow, einem kleinen Dorf in Brandenburg, etwa bleibt jetzt die Grundschule offen. Es leben wieder so viele Kinder dort, dass sie dort wieder eine neue 1. Klasse bilden können. Das ist für die Region, in der sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den letzten 20 Jahren halbiert hat, ein tolles Zeichen und die Menschen dort sind froh darüber.

Bemerkenswert ist auch der kleine Ort Sumte an der Grenze von Niedersachsen zu Mecklenburg-Vorpommern. Gerade mal 100 Einwohner hat er. Als er im vergangenen Jahr zahlreiche Flüchtlinge aufnehmen sollte, machte das bundesweit Schlagzeilen, weil dort weit mehr Menschen hinkommen sollten als dort eigentlich leben. Inzwischen leben dort tatsächlich fünf mal so viele Menschen aus aller Welt wie Sumter. Aber Proteste? Nein, die gibt es dort nicht mehr. Das kann man sich ja kaum vorstellen, wenn man den Diskussionen in manchen sozialen Netzwerken glauben möchte.

Der Grund: Sumte geht es heute besser als vor einem Jahr. 40 Einheimische haben wieder einen Job bekommen – beim Umbau eines leerstehenden Bürogebäudes in ein Flüchtlingsheim oder als Betreuer der Neuankömmlinge. Inzwischen hoffen die Einwohner sogar, dass nicht alle Flüchtlinge weiterziehen in die Städte; stattdessen versuchen sie, wenigstens ein paar der Zuwanderer an den Ort zu binden – mit Ausbildungsangeboten in unterschiedlichen Berufen.

In Golzow und Sumte läuft die Integration leichter als viele das vorhergesehen haben: An der Schule von Golzow lernen die Kinder Deutsch und darüber bekommen auch ihre Eltern Kontakt zu den Menschen, die dort schon lange leben.

Und in Sumte gibt es 40 Menschen, die jeden Tag mit den Flüchtlingen arbeiten und abends zu Hause berichten: Interessant! Das sind Menschen! Und viele haben eine bewegte Lebensgeschichte.

Golzow ist kein Einzelfall. Gerade dort, wo der demographische Wandel bereits Spuren hinterlässt, wo die Fahrt zur Schule oder der Arztbesuch weit und beschwerlich wird, bringen neue Nachbarn auch neue Perspektiven.

Und auch Sumte ist kein Einzelfall. In vielen Orten merken die Menschen, dass Flüchtlinge niemanden dem Job wegnehmen, aber vielen neue Möglichkeiten geben. Sie schaffen neues Wachstum und neue Jobs, auch für die Menschen, die hier schon lange leben.

Orte wie Golzow und Sumte zeigen: Integration kann allen Beteiligten zugute kommen und dann gelingt sie auch ohne die großen Probleme, von denen immer wieder die Rede ist.

Selbstverständlich ging es auch in Golzow und Sumte nicht von Anfang an gut. Wie überall gab es zunächst einmal Sorgen und Ängste. Aber sie haben nicht überhandgenommen und dafür haben auch viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer und – das muss man ja inzwischen schon so sagen – mutige Kommunalpolitikerinnen und -politiker gesorgt.

Diese Menschen stellen sich den Ängsten, die es gibt vor Ort. Sie informieren die Anwohner von neuen Flüchtlingsunterkünften und organisieren Besichtigungen. Sie helfen den Neuankömmlingen beim Deutschlernen, bei Behördengängen, bei der Wohnungssuche.

Es wird ja oft eine deutsche Leitkultur gefordert und ich frage mich dann immer, was damit eigentlich gemeint sein soll. Oft hört es ja mit der Forderung nach der deutschen Leitkultur schon auf. Dass wir alle mehr Bier trinken oder Gartenzwerge aufstellen? Das kann es ja wohl nicht sein. Aber wer da noch Ideen braucht, was unsere Kultur leiten, was unser Miteinander prägen sollte: Das haben in den letzten Monaten all diese Menschen – ohne große Worte – vorgemacht: Respekt vor jedem einzelnen Menschen, Solidarität und Offenheit für Neues.

Ich finde, die Menschen, die in ihrer Not zu uns gekommen sind, haben es verdient, dass sie gut behandelt werden. Und wir sollten alle, die bei uns bleiben, möglichst schnell und möglichst gut integrieren. Das liegt auch in unserem eigenen Interesse. Ich weiß: Das ist ein großer Kraftakt. Aber der Philosoph Wittgenstein hat einmal gesagt: „Wer nicht mehr will als er kann, der bleibt unter seinen Möglichkeiten.“

Wenn es darum geht, Menschen in Not zu helfen und zugleich den Zusammenhalt in diesem Land zu bewahren, dann sollten wir nicht unter unseren Möglichkeiten bleiben!