„Wer ist wir?“ – unter diesem Titel hatte die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) zu einer Diskussionsveranstaltung geladen. Mit dabei: Farhad Dilmaghani für DeutschPlus.

Farhad Dilmaghani betonte am 5. Oktober, dass die laufende Debatte dringend versachlicht werden müsse. Jahrelang seien im Bereich der Integration deutliche Fortschritte gemacht worden, bis politische Einwände zu zunehmender Verunsicherung geführt hätten. Das mediale ‚Trommelfeuer’ habe die Zuwanderungs- und Identitätsthematik zusätzlich stark angeheizt, der Ton sei insgesamt rauer geworden. Dennoch, so Dilmaghani, müsse man sich bemühen, auch mit den konservativen Kräften einen Konsens zu finden. Zudem gehe es darum, den Menschen mit Migrationshintergrund endlich richtige Teilhabe zu gewähren, sei es in Politik, Medien, oder gesellschaftlich.

Staatsministerin Aydan Özoğuz ordnete das Thema in ihrer Rede auch historisch ein. Deutschland diskutiere nicht erst seit dem 20. Jahrhundert die Frage, was und wer eigentlich deutsch sei. Kaum ein anderes Volk setze sich weltweit so sehr mit dieser Frage auseinander. Vor allem nach der Erfahrung des zweiten Weltkriegs würden Pathos, Nationalstolz oder -Symbolik jedoch immer noch mit Skepsis betrachtet. Gerade im Kontext der jüngsten Bundestagswahl sei jedoch deutlich geworden, dass wir einen ernsthaften Dialog darüber bräuchten, was Vielfalt für uns bedeute. Denn gegen das pauschale Hetzen sowie der Etablierung neuer Feindbilder sei eine klare Positionierung der demokratischen Kräfte erforderlich.

Es sei immer von einem „Wir“ die Rede, erläuterte Prof. Dr. Volker Kronenberg, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, einführend, ohne dass jedoch definiert würde, wer überhaupt dazu gehöre. Dabei sei es jedoch essentiell, eine solche Kategorie nicht als starr, sondern als offen, flexibel und im stetigen Wandel zu begreifen. Konflikt und Streit gehörten dabei durchaus dazu, man müsse jedoch aufpassen, dass Angst und Hetze nicht den Diskurs dominierten.

Über die politischen Inhalte der AFD könne und müsse man streiten, sagte Dr. Jasper von Altenbockum. Dennoch müsse man im Rahmen einer Demokratie damit rechnen, dass sich Andersdenkende auch politisch organisieren. Wenn die Gesellschaft sich entschließe, bestimmte Themen und Inhalte nicht zu diskutieren, sei mit einem weiteren Erstarken rechtspopulistischer Parteien zu rechnen. Die Wähler hätten dabei weniger Angst vor einem Identitätsverlust als vielmehr vor dem Verlust der staatlichen Kontrolle.

Jagoda Marinić wies darauf hin, dass die Debatte selbst nicht neu sei. Neu sei jedoch, dass die AfD, die im Rahmen der ,Flüchtlingskrise’ erst richtig stark geworden sei, den politischen Dialog zerstört habe. Es gebe eine gesellschaftliche Fremdenfeindlichkeit, die die AfD abgerufen habe; ohne die enorme Zunahme der Zu- und Einwanderung hätte die Partei niemals so stark werden können. Von einem staatlichen Kontrollverlust könne jedoch nicht gesprochen werden: Die Hilfsbereitschaft in der Zivilgesellschaft sei immens gewesen, auch Kommunen hätten großes Engagement bei der Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten gezeigt.

Dokumentation: BAPP
Foto: BAPP/Volker Lannert