2019 schließt DeutschPlus das Modellprojekt Vom Ihr Zum Wir ab - Grund genug, zurückzublicken auf 4 spannende Jahre, in denen wir viel erlebt und gelernt haben. Unsere Erfahrungen möchten wir vor allem mit all jenen teilen, die ähnliche Projekte mit Jugendlichen umsetzen möchten. 

Was haben wir gemacht?

Der Kern unseres Projektes waren Empowerment-Formate: Veranstaltungen für Jugendliche, die sich in der Regel über mehrere Tage erstreckten. 

Hooray, Day of Rights, Speak Up Week: Diese Formate boten Jugendlichen mit Rassismuserfahrung einen Raum zu Reflexion, Selbstermächtigung und Weiterentwicklung. Jugendlichen wollten wir so ermöglichen, über ihre eigene Verortung in der Gesellschaft, ihre Erfahrungen im Umgang mit Rassismus und ihre Zukunftsaussichten ins Gespräch zu kommen.

Gleichzeitig erhöhten wir durch die Vermittlung von beruflichen Perspektiven, kreativen Fähigkeiten und gesellschaftspolitischem Wissen die Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit der Jugendlichen.

Rahmen und Leitgedanken unserer Empowerment-Formate bildeten unsere Grundrechte. Welche Rechte habe ich in Deutschland und wie kann ich sie einfordern? Wie werden Zugehörigkeit und Teilhabe verhandelt? Wo sind Spielräume für demokratisches Einmischen und Mitgestaltung?

Diesen und weiteren Fragen gingen wir in einem offenen und kreativen Prozess auf den Grund. Dabei ließen wir uns stets von der Lebenswelt und den unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen und Perspektiven der Jugendlichen leiten.

So entstand in den Osterferien 2016 mit Freunden, Familienangehörigen und Teilnehmer*Innen des Ferienprogramms HOORAY auch das Video Wir sind das Grundgesetz, das wir erstmals in Berlin beim Day Of Rights am 8. Mai 2016 im Heimathafen Neukölln der Öffentlichkeit präsentierten.

Das Projekt richtete sich an Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren, die Lust hatten, neue Talente zu entdecken, ihre berufliche Zukunft zu planen und sich in gesellschaftspolitische Debatten einzumischen. Für sie schufen wir einen Raum, in dem Diskriminierungserfahrungen aufgrund von tatsächlicher oder vermeintlicher Herkunft und / oder Religion sensibel aufgefangen und besprochen werden können. 

Das haben wir gelernt

Als Modellprojekt war Vom Ihr Zum Wir auch für uns ein Testballon. Wir haben viel ausprobiert, Fehler gemacht, aus ihnen gelernt, Ideen erprobt und wieder verworfen, weil sie sich nicht bewährt haben. 

Im Kern lassen sich aus unserer Arbeit mit Jugendlichen 4 Schlüsse ziehen. 

1. Bedarfsorientierung 

Das, was junge Leute interessiert, deckte sich nicht notwendig immer mit dem, was wir ihnen gerne erzählt hätten. Bei der Planung unserer Formate haben wir schnell gemerkt, wie wichtig es ist, die Jugendlichen, die wir ansprechen wollen, in die Planung und Konzeption einzubeziehen. Setzt man ihnen etwas vor, was ihnen nicht passt, bleiben sie nämlich weg.

Jugendliche dürfen nicht mit einem politikwissenschaftlichen Programm überladen werden. Es geht vielmehr darum, Inhalte auch über Aktivitäten, die Spaß machen oder entspannen, über Austausch in der Gruppe zu vermitteln. Eine Chance besteht zum Beispiel darin, spielerisch mit den Teilnehmenden die nächste Empowerment-Woche zu entwerfen. 

 3Personen die Wahl zu lassen, womit sie sich beschäftigen und zu welchem Zeitpunkt, ist auch Teil von Empowerment. Schließlich wird sonst oft von außen bestimmt, welche Dinge zu tun sind, welche Ziele erreicht werden sollen. Empowerment bedeutet, ergebnisoffen zu arbeiten. 

2. Freiwilligkeit 

Pflichtveranstaltungen funktionieren unser Erfahrung nach eher schlecht, weil sie bei Jugendlichen eine Abwehrhaltung hervorrufen können. Wir haben eine Veranstaltung lieber in die Ferienwoche gelegt und ein Programm erarbeitet, das so attraktiv für Jugendliche erscheint, dass sie ihre freie Zeit dafür opfern.  

3. Geschützter Raum 

Um ein offenes Sprechen über die eigenen Erfahrungen zu ermöglichen, braucht es Schutzräume, zu denen nur Menschen mit Rassismuserfahrung Zugang haben. Einen solchen Raum zu schaffen, kann zum Beispiel auch bedeuten, teilweise auf Foto- oder Videoaufnahmen zu verzichten, damit klar ist, dass alles, was in einem Workshop passiert, auch dort bleibt. 

Referent*innen und Speaker*innen haben wir nach Möglichkeit so ausgewählt, dass sie den Jugendlichen als Vorbilder dienen: sie haben eigene Rassismuserfahrungen.

4. Zusammenarbeit mit Jugendträgern, Jugendzentren, Sozialarbeiter*innen, Betreuungspersonen

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Da wir ein Modellprojekt durchgeführt haben, fehlten uns der direkte Zugang zur Zielgruppe. Deshalb haben wir mit Institutionen zusammengearbeitet, die über einen solchen verfügen. Wir haben deshalb mit Jugendgruppen und Bildungsprojekten kooperiert, deren Arbeit mit unserer Intervention unterstützt werden kann.

Gestalte deinen eigenen Day of Rights!

Vom Ihr zum Wir sucht Nachahmer*innen in ganz Deutschland. Unser Modellprojekt sollte einen Anstoß liefern, um kopiert, adaptiert und weiterentwickelt zu werden. 

Ausführlicher Projektbericht als PDF