In der Reihe „Impulse zur Vielfalt“ beschäftigen sich Autor_innen mit der Frage, wie Vielfalt in Organisationen funktioniert. Jetzt ist der erste Beitrag von Nora Ratzmann „Mind the gap: Vielfaltspolitik der deutschen Arbeitsverwaltung“ erschienen. Projektleiterin Kerstin Meyer beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

  1. Was sind die wichtigsten Aspekte in Bezug auf Vielfalt in der Arbeitsverwaltung?

Kerstin Meyer: Arbeitsagenturen und Jobcenter sollen Menschen in Arbeit vermitteln. Dabei sollen sie die unterschiedlichen Chancen, die Menschen beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, ausgleichen. Wenn sie stattdessen die bestehenden Benachteiligungen verstärken, hat das für die betroffenen Menschen schwerwiegende Folgen.

Letztes Jahr hat die Antidiskriminierungsstelle dazu eine Studie veröffentlicht. Diese zeigt, welchen Diskriminierungsrisiken die Arbeitssuchenden ausgesetzt sind und was die Arbeitsagenturen dagegen tun können. Ein Beispiel für solch ein Diskriminierungsrisiko sind nicht transparente und unbegründete Entscheidungen von Arbeitsvermittler_innen, etwa wenn migrantische Frauen vorschnell in Pflegeberufe vermittelt oder Wünsche nach Weiterbildungen abgelehnt werden. Dahinter stehen negative Zuschreibungen, beispielweise, dass die Weiterbildung abgebrochen wird. Davon sind mehrheitlich ältere Menschen, Frauen und Migrant_innen betroffen.

  1. Was zeigt der Beitrag von Nora Ratzmann?

Meyer: Im Jahr 2007 hat die Bundesagentur für Arbeit ihre sogenannte Diversitätsstrategie auf den Weg gebracht. Nora Ratzmann kam in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass die Berliner Jobcenter diese nur unzureichend umsetzen. Auch wenn sich in den letzten Jahren durch die so genannte interkulturelle Öffnung einige Dinge positiv verändert haben, ist die Diskriminierung von Migrant_innen, insbesondere aus (Süd-)Osteuropa, Alltag.

Durch Maßnahmen für mehr Vielfalt hat sich weder die Verwaltungskultur gewandelt noch wurden Alltagsrassismen beseitigt. Das liegt vor allem daran, dass das Diversitätsmanagement nur punktuell und reaktiv betrieben wird. Das ist aber zu wenig. Es braucht einen echten Wandel der Verwaltungskultur und der Strukturen.

  1. Welche praktischen Handlungsempfehlungen zieht DeutschPlus aus dem Fachartikel? Was genau können Berater_innen im Jobcenter besser machen, was die Entscheider_innen auf den Führungsetagen der Jobcenter?

Meyer: Die Herausforderung besteht in allen Organisationen darin, Vielfalt als Querschnittsthema nachhaltig zu verankern. Führungskräfte müssen dies als ihre Aufgabe wahrnehmen. Sie sollen sich zu den Themen schulen und sich externe Unterstützung holen.

Mitarbeiter_innen sollten auf eine wertschätzende Ansprache achten. Auch für sie sind Schulungen zum Erwerb von Vielfaltskompetenz wichtig. Dafür brauchen sie mehr Zeit und Raum und Maßnahmen, die den Praxistransfer unterstützen. Das können Beratung und Supervision sein und natürlich Möglichkeiten, das Gelernte zu wiederholen und auszubauen.

  1. Welche weiteren Themen werden Sie in den „Impulsen zu Vielfalt“ behandeln und welchen Bezug hat das zum Projekt „ACT“, das Sie leiten?

Meyer: Das Projekt zielt auf die diversitätssensible interkulturelle Öffnung von Organisationen und das Empowerment von jungen Menschen mit Rassismuserfahrungen. Die Reihe „Impulse zu Vielfalt“ soll Handlungsfelder und -empfehlungen dafür aufzeigen, mit einem Fokus auf die interkulturelle Öffnung von Organisationen. Für uns meint das eine rassismuskritische Öffnung der Institutionen.

Die folgenden Beiträge beschäftigen sich mit Barrieren in Bewerbungsverfahren, der Rolle von Jugendauszubildendenvertretungen in der interkulturellen Öffnung und Vielfalt in Kulturbetrieben und Museen. Die Beiträge sind eine gute Grundlage, um gemeinsam weiterzuarbeiten und damit an Organisationen heranzutreten, um die Empfehlungen zu diskutieren.

Kerstin Meyer leitet das Projekt ACT – Bewusstsein schaffen, Chancen sichern. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms Demokratie leben! und der Bundeszentrale für politische Bildung.

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