Im September findet die Interkulturelle Woche unter dem Motto "Vielfalt verbindet" statt. Vorab veröffentlichen wir einige Gastbeiträge aus dem Materialheft.

In einer Zeit wachsender Islam- und Muslimenfeindlichkeit in Deutschland ist der interreligiöse Dialog ein Auftrag und Gebot der Stunde. An vielen Orten gehören die Beteiligung von Moscheegemeinden und Begegnungen mit Muslimen bereits zur Interkulturellen Woche. Projekte wie "Weißt Du, wer ich bin?" – getragen von den drei großen Religionen – fördern, auch finanziell, die Begegnung von Juden, Christen und Muslimen. Ein Text von Werner Höbsch.

Was ist interreligiöser Dialog?

"Interreligiöser Dialog" bezeichnet die Begegnung und das Gespräch zwischen Personen unterschiedlicher religiöser Beheimatung. Dieser Dialog beginnt nicht erst dort, wo sich Fachleute über spezifische theologische Themen austauschen, sondern vielmehr da, wo Menschen mit unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit Begegnungen und Gespräche miteinander suchen. Der Dialog gründet in der Haltung eines Interesses am Anderen. Diese dialogische Haltung ist Fundamentalisten, Populisten wie allen Fanatikern fremd, aber auch den Desinteressierten. In einer Gesellschaft der Vielfalt ist der Dialog das Verbindende. Gesellschaftliche Ausgrenzung und Rassismus beginnen dort, wo nicht mehr Begegnung gesucht wird, sondern Menschen wegen ihrer Religion, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder sexuellen Orientierung bestimmte, meist abwertende Merkmale zugeschrieben werden. Dann heißt es: "Wer einen Muslim kennt, kennt alle" und "Jeder Türke ist wie der andere". Wirkliches Interesse jedoch führt zu den Fragen: Wer bist Du? Was denkst und fühlst Du? Was bedeutet Dir Dein Glaube?

Dialog beginnt mit dem Hören auf den Anderen und dem Auskunftgeben über sich selbst, also mit Fragen und Antworten.

Viele Dialoge scheitern, weil sie nebeneinanderher laufende Monologe sind und nicht Gespräche über das, was bewegt – über Freuden und Ängste, über Sorgen und Hoffnungen. Interreligiöser Dialog wird nicht zwischen Systemen geführt, sondern zwischen Menschen, er ist ein interpersonales Geschehen.

Dialog des Handelns

Doch interreligiöser Dialog bedeutet nicht nur, miteinander zu sprechen, sondern auch gemeinsam zu handeln im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit. Handeln auf der Grundlage gemeinsamer ethischer Überzeugungen ist ein wichtiges Anliegen des von Hans Küng begründeten Projektes Weltethos . In einer zerrissenen Welt reicht es nicht aus zu betonen, Islam heiße Frieden, Christentum bedeute Liebe und Judentum Menschlichkeit, vielmehr müssen dieser Frieden, diese Liebe und diese Menschlichkeit in der konkreten Praxis von Gläubigen sichtbar werden – am besten in einer gemeinsamen Praxis. Es ist an der Zeit, dass sich Menschen über die Grenzen religiöser und weltanschaulicher Verankerungen hinweg für das Wohl und den Frieden in ihrem Stadtviertel, in ihrem Land und im internationalen Kontext engagieren.

Ermutigung zum Dialog

Jeder Dialog, auch der interreligiöse, ist an konkrete Situationen und örtliche Bedingungen gebunden. Wer einen interreligiösen Dialog in seiner Stadt beginnen möchte, sollte einige Schritte beachten.

1.         Verbündete und Dialoginteressierte ansprechen, die das Anliegen unterstützen. Gibt es bereits Dialoginitiativen?

2.         Erkundungen der religiösen Landschaft: Welche Moscheegemeinden, jüdischen Gemeinden und Kirchengemeinden gehören zur Stadt? Bestehen bereits Kontakte?

3.         Kontakte zu den Gemeinden aufnehmen und für das Anliegen der Begegnung und des Dialoges werben.

4.         Gemeinsam eine interreligiöse Begegnung in einem größeren Kreis planen und organisieren.

5.         Das Treffen auswerten und nächste Schritte besprechen.

Anregungen

• Habe und zeige ein ehrliches Interesse am Anderen.

• Frage Dich: Was weiß ich wirklich vom Anderen? Was sind meine Bilder?

• Sprich den Anderen an und lass Dich ansprechen. Suche den Kontakt.

• Rede persönlich: Ich denke, ich fühle, ich glaube …

• Verstehe Dich als Botschafter*in Deiner religiösen Gemeinschaft, aber verstecke Dich nicht hinter ihr.

• Sei ehrlich und aufrichtig – im Fragen und Antworten.

• Wenn Dir etwas unklar ist, frage nach, frage lieber einmal zu viel als zu wenig.

• Entdecke Gemeinsamkeiten und akzeptiere Unterschiede.

• Habe Geduld im Dialog.

• Lerne mit Enttäuschungen umzugehen.

Der Dialog ist nicht das Ziel, sondern der Weg des Miteinanders. In einer Gesellschaft der Vielfalt ist das Verbindende das Gespräch, der Dialog.