Grußwort von Farhad Dilmaghani, Vors. DeutschPlus e.V. vom 10. Juni 2016 im Rahmen der DeutschPlus/FES-Veranstaltung: “Was braucht eine zukunftsfähige Integrationspolitik“ 

- es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Maas, 

sehr geehrte Frau Prof. Langenfeld, 

sehr geehrte Frau Prof. Foroutan, liebe Nakia, 

liebe DeutschPlusserinnen und DeutschPlusser, 

meine Damen und Herren, 

ich freue mich Sie auch im Namen des Vereins DeutschPlus zu dieser Veranstaltung begrüßen zu dürfen. Wir sind der Friedrich Ebert Stiftung und insbesondere Dietmar Molthagen dankbar, dass er mit uns diese Veranstaltung konzipiert hat. Sie ist für uns ganz besonders, weil wir erstmalig im Rahmen eines hochkarätig besetzten Forums auch über einen DeutschPlus-Vorschlag diskutieren werden. Wir wollen das Grundgesetz ändern. So, dass unmissverständlich festgehalten wird, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist mit einem Staatziel „gleichberechtigte Teilhabe und Integration“ zu fördern. Und wir freuen uns, dass diese Idee auch viele andere zu interessieren scheint, was sonst kann einen dazu motivieren an einem so schönen Freitagnachmittag hierher zu kommen. 

Die Idee zu einer Grundgesetzänderung haben Naika und ich schon vor Jahren angedacht. Gemeinsam mit Johannes Eichenhofer, dem stellvertretenden Vorsitzenden von DeutschPlus und ein exzellenter Jurist von dem wir noch viel hören werden, haben wir sie juristisch unterfüttert. Johannes ich möchte Dir auch an dieser Stelle danken, dass Du so zielstrebig an diesem Vorschlag gearbeitet hast. 

Es war nicht einfach, auch weil wir feststellen mussten, dass es kaum juristische Literatur gibt, die sich mit einer zukunftsfähigen und progressiven Integrationspolitik beschäftigt. 

Im Gegensatz dazu gibt es aber tonnenweise Literatur zum Thema „Ausländer- und Aufenthaltsrecht“. Das hat sicher seine Berechtigung, aber meistens steht hierbei der restriktive Charakter im Vordergrund. Wenn hier jemand eine Parallele zum aktuellen Integrationsgesetz sehen möchte, so sei ihm das unbenommen. 

Wir sehen unseren Vorschlag für ein neues Staatsziel als work in progress an. Als man das erste Mal über ein Staatsziel Umweltschutz nachdachte, hat es knapp 15 Jahren gedauert bis das Grundgesetz entsprechend ergänzt wurde. Man braucht also einen langen Atem und viel Ausdauer. 

Für eine konkrete Grundgesetzänderung haben wir uns folgende Formulierung überlegt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Einwanderungsland. Sie fördert die gleichberechtigte Teilhabe und Integration.“ 

Dahinter stehen zwei zentrale Überlegungen. Einerseits wollen wir unwiderruflich festschreiben, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist, andererseits, wollen wir die staatlichen Organe verpflichten „gleichberechtigte Teilhabe und Integration“ als Teil des staatlichen Handelns kontinuierlich umzusetzen und zu berücksichtigen. Übrigens haben wir diese Formulierung auch mit einem sehr bekannten ehemaligen Bundesverfassungsrichter informell abgestimmt, sein Kommentar: Die Formulierung sei tadellos. Politisch könne er nichts dazu sagen. 

Die Werte unserer Verfassung sind so aktuell wie seit langem nicht mehr. Die einen, viele nennen sie verharmlosend Rechtspopulisten stellen sie Tag für Tag in Frage indem krude Ideen verbreitet werden, die die Gleichheit der Menschen in Frage stellen. Ungleichwertigkeit wird zum Programm gemacht. Viele nennen das Rassismus. Es ist gut so, dass es von Tag zu Tag mehr Menschen gibt, die sich gegen menschverachtenden Ideologien stellen und das klar benennen. Das gab es in den 90er Jahren nicht so in Deutschland und das empfinden wir als großen Fortschritt. 

Die anderen, berufen sich auf die Grundwerte, suchen in ihnen Halt, in einer Zeit, wo das früher Unsagbare, sich zum neuen Sprech entwickelt. „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“, ist für viele gerade mit einem erkennbaren Migrationshintergrund ein Synonym für endlich sind die Zeiten einer verkniffen „political correctness“ vorbei und ihr wart und werdet bestenfalls 

Menschen zweiter Klasse in unserem Land sein. Besser noch ihr geht zurück von wo ihr gekommen seid. Der Hass der damit einhergeht ist radikal und gewalttätig. Einige hier im Raum kennen das auch aus eigener Erfahrung. Und wir als DeutschPlus wollen Ihnen Herr Bundesminister Maas für ihre klare politische Haltung seit den ersten PEGIDA-Protesten ausdrücklich danken! 

Eine Renaissance unserer Verfassungswerte ist eines der besten Mittel um der immer noch zu leisen Mehrheit in unserem Land, die sich gegen die neue Rechte stellt, eine gemeinsame Stimme zu geben. 

Als DeutschPlus haben wir am achten Mai erstmalig einen Tag der Grundrechte veranstaltet. Wir haben Kinder und Jugendliche vor allen Dingen mit Migrationshintergrund darunter auch Geflüchtete gebeten, die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes in einfache Sprache zu übersetzen. Es war ein große Freude zu sehen mit was für einer Hingabe sie sich daran gesetzt haben. Aus Artikel 1 wurde: Jeder Mensch verdient Respekt. Artikel 2 lautete: Jeder Mensch darf sich verwirklichen. Artikel drei: Niemand wird benachteiligt. Usw. Wir waren als Erwachsene ganz ergriffen, wie viel Klugheit und Empathie die Kinder aus dem Grundgesetztext herausgeholt haben. Im Zuge dessen entstand auch eine Videokampgane: Wir sind das Grundgesetz! Die Kampagne wurde im Netz mittlerweile schon über 1 Millionen Mal aufgerufen. Die Clips wurden mit einfachsten Mitteln produziert, aber sie strahlen eine große Kraft und Authentizität aus. Das zeigt auch, dass das Argument gerade vieler Konservativer und der Kommunitaristen, dass der Verfassungspatriotismus keine emotionale Anziehungskraft entfalten könnte, falsch ist. 

Im Gegenteil gerade für diejenigen, die benachteiligt sind oder sich als solche sehen, kann die Rückbesinnung auf die Verfassungswerte attraktiv sein. Und, auch gerade für diejenigen die neu dazukommen sind und sich erst noch zurechtfinden müssen. Wir müssen die Mühe machen, diese Werte zeitgemäß und verständlich zu vermitteln. Sie zu einer erkennbaren politischen Haltung machen, die auch im politischen Tagesgeschäft nachvollziehbar wird. 

Was hat das alles mit einer zukunftsfähigen Integrationspolitik zu tun. Für uns sehr viel. Weil wir uns wünschen, dass Verfassungsanspruch und Verfassungsrealität sich gerade in der Integrationspolitik widerspiegelt. Vielfalt als Haltung und Grundwert muss sich viel mehr etablieren in unseren gesellschaftlichen Strukturen, den Lebens- und Aufstiegschancen und den Entscheidungsprozessen. Integration und die Vision von einer gleichberechtigten Einwanderungsgesellschaft sind zentrale Themen im 21. Jahrhundert in einer Zeit wo sich die soziale Frage in neuem Gewand mit aller Wucht stellt. Sie hat ein großes Potenzial die Gesellschaft zu spalten, aber auch unsere Verfassungswerte neu aufzuladen und die Moderne weiterzuentwickeln. Darum halten wir es mit Bert Brecht: Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen.“